Senf: Scharf und gesund

Dr. phil. Kerstin Engels

Senf ist nicht nur eine unentbehrliche Würzzutat, sondern auch ein altes Heilmittel. Schon die Römer schätzten Tafelsenf und viele alte Senfrezepte sind gut gehütete Geheimnisse. Für die gesundheitsfördernden Eigenschaften interessiert sich zunehmend auch die moderne Medizin.

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Ob für Marinaden, in der Salatsauce oder zu Gegrilltem: Senf ist eines der beliebtesten Würzmittel in Deutschland. Weder Ketchup noch Kräuter oder Essig können da mithalten. Fast drei Viertel der Deutschen verwenden regelmäßig Senf zum Würzen, sagt die Marktforschung

Doch Senf ist auch sehr gesund, je schärfer umso mehr. Das wusste schon die traditionelle Volksmedizin. Und auch die heutige Wissenschaft entdeckt sein großes Potenzial wieder. Das Forschungsinteresse richtet sich vor allem auf die vermutete Anti-Krebs-Wirkung.

Warum ist Senf scharf?

Senf pixabay edar salad-563016 640-2Die Senfpflanze ist eine Art Kohlpflanze, nämlich ein Kreuzblütler. Zu dieser Familie gehören zum Beispiel auch Brokkoli, Radieschen oder Raps. Die gelben Blüten sehen übrigens dem Raps recht ähnlich. Für die Herstellung des Würzmittels werden die Samenkörner der Senfpflanze verwendet, die in einer Schote heranreifen.

Typisch für Kreuzblütler ist ihr Gehalt an Senfölglykosiden. Sie sind in den Zellen der Senfsamen gespeichert. Schärfe entsteht jedoch erst dann, wenn die Samen gemahlen oder geschrotet werden. Sind die Zellwände aufgebrochen, kommen die Senfölglykoside in Kontakt mit einem Enzym der Zellen. Dadurch spaltet sich das scharfe ätherische Senföl ab – je nach Senfsorte das sogenannte Sinalbin oder Sinigrin.

In der Natur schützen die Senföle die Pflanze vor Fraßfeinden und hemmen das Wachstum von Bakterien, Viren und Pilzen. Sie verleihen dem Senf erst seinen speziellen Geschmack und machen ihn außerdem so besonders gesund.

Senf als traditionelles Heilmittel

Seit Urzeiten war Senf nicht nur ein begehrtes Würzmittel, sondern auch ein Heilmittel. Schon lange bekannt und auch gut belegt sind seine positiven Wirkungen auf die Verdauung. Senf regt den Appetit an und fördert die Verdauung. Er verbessert die Tätigkeit des Darms, und er macht Fett besser verdaulich.

Auch die antibakterielle Wirkung von Senf wurde schon früh genutzt. Beispielsweise empfahl der griechische Arzt Dioskurides ihn als Mittel zum Gurgeln bei Halsentzündungen. Traditionell kam Senf auf bei Kreislaufproblemen zum Einsatz, denn er soll sich günstig auf den Blutdruck auswirken.

In alten Zeiten gab es auch Anwendungen von Senf auf der Haut. Dabei machten sich die Heilkundigen die durchblutungsfördernden und wärmenden Effekte zunutze. Senfbäder, -pflaster oder warme Kompressen mit Senfpaste erzeugen viel Wärme und gehören deshalb zu den traditionellen Behandlungsmethoden etwa bei Gelenkproblemen oder Rheuma.

Allerdings kann Senf die Haut sehr reizen und Rötungen verursachen. Bei Anwendungen auf der Haut ist deshalb einige Vorsicht angebracht. Die starke Wirkung auf die Haut wurde lange als Reiztherapie genutzt. Da solche Therapien einige Risiken bergen, wie zum Beispiel Nervenschäden oder Infektionen, sollten sie nicht auf eigene Faust probiert werden.

Senf und die Krebsforschung

Die aktuelle medizinische Forschung hat den Senf ebenfalls im Visier. Studien legen eine günstige Wirkung von Senf auf Krebs nahe, ähnlich wie das für den verwandten Brokkoli schon nachgewiesen wurde.

So gingen Forscher der Uniklinik Freiburg der Frage nach, ob aus dem Senf stammende Senföle eine schützende Wirkung gegen Krebszellen entfalten.  Die Studienteilnehmer aßen täglich 20 Gramm scharfen Senf. Ihnen wurde dann Blut abgenommen und mit krebsauslösenden Stoffen versetzt, wie sie typisch bei Grillfleisch entstehen. In diesen Versuchen waren die Schutzeffekte eindeutig nachzuweisen. Im Unterschied zu anderen Schutzmechanismen, wie bei Vitamin C, hielt der Effekt zudem noch einige Zeit an. Und je schärfer der Senf, desto stärker war die Wirkung.

Einen Forschungsschwerpunkt zu dem Zusammenhang von Senfölen und dem Wachstum von Tumorzellen hat außerdem die Universitätsklinik Heidelberg. Auf der Website des Instituts sind weitere Informationen zu dem Thema zu finden. 

Senf als Gewürzpaste

Die Gewürzpaste, wie wir sie aus dem Glas oder aus der Tube kennen, ist eine Mischung aus gemahlenen Senfkörnern mit Flüssigkeit und weiteren Gewürzen. Tafelsenf besteht meistens aus gemahlenen Senfsamen, Wasser, Essig, Salz und Gewürzen. Traditionell wurde Traubenmost statt Essig verwendet.

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Bei der Herstellung werden drei unterschiedliche Arten von Senf verwendet. Weißer Senf (Sinapis alba) ist davon die mildeste. Schärfer sind der braune und der schwarze Senf.

Wie scharf eine Senfpaste ist, hängt davon ab, wie hoch der Anteil der verwendeten Senfsorten ist. Mittelscharfer Tafelsenf, der „Delikatess-Senf“, ist zum Beispiel eine Mischung aus weißer und brauner Senfsaat.

Diese Senfmischungen gibt es in einer Vielzahl an regionalen Varianten, wie der süße Senf in Bayern, der Krensenf (mit Meerrettich) in Österreich oder der berühmte Dijon-Senf.

In Kombination mit aromatischen Zutaten werden außerdem zahllose Spezialitäten angeboten, wie etwa Feigensenf oder Estragonsenf. Die Liste der möglichen Zutaten enthält viele klassische Kräuter und Gewürze, zum Beispiel Koriander oder Paprika.

Besonders typisch ist die Zugabe von Kurkuma, was dem Senf die gelbe Farbe verleiht. Doch beliebt sind auch speziellere Zutaten, wie etwa Knoblauch, Chilis oder Orangen.

Wo kommt der Senf her?

Senf hat seine Heimat sowohl in Asien als auch in Europa. Er war schon im alten China bekannt, ebenso in der alten griechischen Kultur. Den Tafelsenf, wie wir ihn essen, schätzten auch die Römer. Im Mittelalter war das Würzmittel in ganz Europa beliebt. Senf gab es früher als Pfeffer und viele andere Würzmittel, die aus Asien oder Indien zu uns gelangt sind.

Eine besondere Rolle spielte die französische Stadt Dijon bei der Produktion von Senf. In Frankreich war Senf außerordentlich beliebt und Dijon bildete mit einer regelrechten Senfindustrie den Mittelpunkt. Im 13. Jahrhundert erhielt die Stadt sogar ein Monopol auf die Senfherstellung. 2009 wurde dort die letzte historische Senffabrik geschlossen. Sie gehörte inzwischen zu dem weltweit agierenden Konzern Unilever. 

Aber auch in Deutschland hat der Senf eine lange Tradition. Davon zeugen noch einige historische Senfmühlen, unter anderem in der Eiffel. Die Monschauer Mühle wurde 1882 gebaut und ist seitdem in Familienbesitz geblieben. Bei einer Besichtigung können Besucher sehen, wie seit eh und je der "Moutard de Montjoie" produziert wird.

Eine Senfstadt ist bis heute Düsseldorf. So gibt es die Düsseldorfer Marke „ABB Senf“ schon seit 1726. Das typische Steinguttöpfchen mit dem ABB-Schriftzug ist sogar auf einem Van-Gogh-Gemälde zu sehen. Auch der Löwensenf stammt aus Düsseldorf und ist heute ein bekanntes Markenzeichen.

Herstellung

Seit dem 18. Jahrhundert wird die begehrte Würzpaste in Senfmühlen hergestellt. Die Senfmüller hüteten ihre Rezepte mit den Mischungsverhältnissen von Senfsorten und weiteren Zutaten oft als Geheimnis. Bis heute gibt es kleinere Betriebe mit handwerklicher Herstellung.

Traditionell werden die Senfkörner geschrotet und dann mit Gewürzen und Flüssigkeiten zu einer Maische angesetzt. Bei dieser Fermentation entwickeln sich die besonderen Aromen. Die durchgezogene Maische wird dann gemahlen. Gegenüber der industriellen Herstellung wird der handwerklich produzierte Senf nass gemahlen. Beim Mahlen zwischen großen Mühlsteinen entsteht weniger Hitze als in industriellen Verfahren, so dass die ätherischen Öle besser erhalten bleiben. Nach dem Mahlvorgang ist der Senf zunächst noch sehr scharf. Er muss einige Zeit lagern und entwickelt erst dabei eine mittlere Schärfe.

Abgesehen von der Senfpaste aus gemahlenem Senf werden natürlich auch ganze Senfkörner als Würzmittel verwendet, zum Beispiel in Marinaden oder für eingelegtes Gemüse wie Mixed Pickles. Dabei entsteht aber nicht die für den Tafelsenf typische Schärfe.

Senf selber machen

Seinen eigenen Senf zu produzieren, macht nicht nur Spaß – er schmeckt auch sehr gut. Außerdem sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Hier eine einfache Anleitung für einen fruchtig-scharfen Senf.

Zutaten:
50 g Senfkörner - Weißer Senf
50 g Senfkörner - Brauner Senf
150 ml Apfelsaft
50 ml Apfelessig
1 EL Salz
1 EL Ölivenöl

Zubereitung:

Die Senfkörner werden gemahlen, z.B. in einer sauberen Kaffeemühle, alternativ in einer Küchenmaschine fein zerkleinert. Ganz wichtig: Sie dürfen nicht heiß werden, daher immer wieder Pausen machen und nicht zu lange am Stück mahlen. Sonst verlieren sie das Aroma oder der Senf wird bitter. Wer sich das Mahlen sparen möchte, kann auch direkt Senfpulver kaufen.

Das Senfmehl wird mit den restlichen Zutaten vermischt und dann püriert. Die breiige Mischung bleibt einige Stunden offen stehen, erst jetzt entfaltet sich allmählich die Schärfe. Danach in Schraubgläser abfüllen und noch etwa drei Wochen im Kühlschrank ziehen lassen. Der Senf verliert dabei an Schärfe und entfaltet sein Aroma.

 

Quellen und Links

IFAK/Ipsos/Media Markt Analysen: VuMA 2015 - Ranking der beliebtesten Produkte zum Würzen (Verwendung mindestens mehrmals pro Monat) in Deutschland in den Jahren 2013 und 2014 (abgerufen über Statista.de am 6.5.2015)

Apotheken-Umschau: Senf – Scharfe Körner für die Gesundheit? 20.1.2014 (abgerufen am 7.5.2015)

Wikipedia-Artikel „Senf“ (abgerufen am 6.5.2015)

Evelyn Lamy, Volker Mersch-Sundermann (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Kontrollierte humane Interventionsstudie zum Nachweis eines chemopräventiven Potentials von Senf. Projektbeschreibung, 2008 (Forschungsdatenbank der Uni Heidelberg, Stichwort: „Senf“, abgerufen am 6.5.2015)

BKK24: Scharfer Senf senkt das Krebsrisiko (Quelle: Universität Freiburg; abgerufen am 6.5.2015)

Michael Brendler: Schützt Senf tatsächlich vor Krebs? Interview mit dem Arzt Volker Mersch-Sundermann, Badische Zeitung vom 21.9.2011 (abgerufen am 6.5.2015)

Universitätsklinikum Heidelberg: Patienteninformation zu dem Brokkoli-Inhaltsstoff Sulforaphan und weitere wertvolle Tipps für eine gesunde Ernährung (abgerufen am 6.5.2015) 

Süddeutsche Zeitung: Bruch mit alter Tradition - Dijon-Senf wird heimatlos. 17. Mai 2010 (sueddeutsche.de, abgerufen am 5.5.2015)

Website der historischen Senfmühle Monschau (abgerufen am 7.5.2015)

Website der Firma Löwensenf (abgerufen am 7.5.2015)

www.gewuerzkarawane.de: Gewuerzfibel – Senf (abgerufen am 7.5.2015) 

 

Bildnachweis: pixabay/edar