Zweifeln ist zweifelhaft
Mitsue Kono (Juli 2014)
Woher kommt der Zweifel? Meistens aus dem Kopf. Nein nein, werden Sie jetzt sagen, ich spüre meinen Zweifel immer in der Bauchgegend.
Und ich sage Ihnen: Der Zweifel bleibt im Kopf. Das Bauchgefühl ist Wissen. Intuition. Eine Verbindung mit der Wahrheit. Und somit wirklich Wissen.
Wir alle kennen diese speziellen Situationen, wo wir am Beginn einer Sache schon das Ende erblicken. Meistens im Bauch. Auf jeden Fall körperlich spürbar. Dieses Gefühl, das könnte klappen. Oder: Es könnte klappen, wird aber schwierig. Oder: Das geht gar nicht!
Das ist Wissen. Wir denken, Wissen hat was mit dem Kopf zu tun. Manchmal ja. Nämlich dann, wenn es analytisch ist, wenn es um den Intellekt geht. Aber das Wissen, was uns, was Forscher, Künstler, Erfinder und andere kreative lebensfreudige Menschen führt und weiterbringt, ist das intuitive Wissen. Ein Wissen, woran sich jeder Zweifel das gesamte Gebiss ausbeißen würde und tut, weil die Sicherheit dieses Wissens stark und tief ist.
Der intellektuelle Kopf ist eigentlich „nur“ Beiwerk. Hört sich etwas brutal an, wo wir doch in unserer Gesellschaft alles dran setzen mit dem Kopf zu erklären, mit dem Willen zu richten und mit Logik zu beurteilen. Ganz zu schwiegen von unserem Hang zu bewerten. Aber die Basis vom Wissen, die Basis der Reife, des Weiterkommens und auch des Erfolges, die finden wir im Herzen. Manchmal auch in der Bauchgegend. Auf jeden Fall, immer im Körper.
In der Chinesischen Medizin spricht man von einem weiten Herzen, wenn der Verstand klar und einig mit dem Himmel ist. In einem solchen klaren Verstand, der vom Herzen geführt wird, haben Zweifel keine Chance. Das Herz wird in dieser Medizin als der Kaiser des Volkes angesehen. Ist der Kaiser, also das Herz, in einem guten Zustand, geht es dem Volk, dem Verstand gut. Geht es unserem Verstand gut, dann ist es in unserem Leben gut. Die kausalen Ergebnisse ziehen einen immer größeren Kreis. Daher ist es wichtig, dass wir auf unser Herz hören. Fühlen, ob wir uns überhaupt fühlen.
Manchmal tut das Herz einfach nur weh. Dann ist es sinnvoll in den Trost zu gehen, anzunehmen wie es ist. Den Zustand nicht zu verdrängen. Verdrängung bringt den Kaiser auf Dauer in den Wahnsinn. Dann geschehen fürchterliche Entscheidungen, entstehen grausame Gedanken, die nur der Selbstzerstörung dienen.
Daher gilt die Weisheit: Ein Herz darf weinen. Wenn das Weinen vorbei ist, kommt die Zeit der Freude. Ein gesunder Kaiser oder eine gesunde Kaiserin zweifeln nicht, sie oder er weiß. Übrigens auch um die Berechtigung falscher Entscheidungen.
Ist die Verbindung vom Herzen zum Verstand rein, ohne Stagnation und in kraftvoller Synergie, kommt Gutes dabei heraus. Für uns und für die Welt. Unser Handeln, unsere Entscheidungen sind dann von Liebe und Klarheit geprägt.
Menschen, die seltsame Entscheidungen treffen, Entscheidungen, die Leid bringen – sich selbst und anderen – werden in der Chinesischen Medizin mit verstopften Herzöffnungen diagnostiziert.
Ja, Sie lesen richtig! Das Treffen von leidvollen Entscheidungen wird in der Chinesischen Medizin als Krankheit erachtet und dementsprechend behandelt. Ein Herz, dessen Öffnungen und Poren verstopft sind, behindert den Menschen am Leben. Ein verstopftes Herz erzeugt Enge im Blickwinkel.
Ist das Herz frei, weit und offen, ist unsere Verbindung mit dem Leben uneingeschränkt. Sie ist frei, und es kann fließen, was fließen will und fließen muss. Der Dialog zwischen Gott, dem Universum, den Lehren Buddhas und allen anderen Weisen, steht uns uneingeschränkt zur Verfügung und fließt uns zu, wenn wir es brauchen. Denn im Herzen sitzt die Liebe, erhaben über Zweifel, über Angst, über Enge.
Das Herz füttert den Verstand. Dann geschehen Aha-Erlebnisse, Erkenntnisse, Verstehen von erleuchtender Art und Weise. Und wir wundern uns über die Wunder in unserem Leben. Die passenden Gelegenheiten und Begegnungen. Das Gelingen und das Lösen von Problemen – manchmal sogar das Verschwinden alter, immer wiederkehrender Probleme oder Stagnationen.
Der Zweifel, liebe Leserinnen und Leser, ist zweifelhaft und dennoch menschlich. Still werden und unerklärlich wissen, ist ein Partikel der Glückseligkeit und eine sanfte aber tiefgreifende Führung der Liebe.
Zur Autorin: Mitsue Kono ist Freie Künstlerin, Autorin und lehrt QiGong in Hamburg
Mehr über Mitsue Konos Arbeiten
http://www.makotoart.com/
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