Gesunder Apfelessig - zwischen Hype und Tradition

Dr. phil. Kerstin Engels

Seit Jahren gilt Apfelessig schon fast als Allheilmittel. In Gesundheitsratgebern und Frauenzeitschriften sorgt das traditionelle Lebensmittel immer wieder für viel Aufmerksamkeit, vor allem als Schlankmacher. Doch was ist dran an dem Hype?

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Ob Pulver, Kapseln oder Brausetabletten - Nahrungsergänzungsmittel aus Apfelessig haben Konjunktur. Im Vergleich zum günstigen Ausgangsprodukt sind sie horrend teuer. Die Werbung verspricht vor allem, dass Apfelessig schlank macht – einfach täglich einige Kapseln nehmen und schon schmilzt das Fett. Solche Versprechungen sind mit Vorsicht zu genießen. 

Tatsächlich ist Apfelessig nicht nur ein wertvolles Nahrungsmittel. Auch als Hausmittel ist er für die unterschiedlichsten Zwecke gut einzusetzen. Schon zu babylonischen Zeiten verwendeten Heilkundige Essig: Sie kühlten Schwellungen, desinfizierten Wunden oder verabreichten ihn bei Entzündungen. Die mittelalterliche Klostermedizin kannte Apfelessig ebenfalls als Stärkungs- und Wundheilungsmittel.

Apfelessig in der Naturheilkunde

Essig Pixabay Hans bottle-589 640-2Seinen Ruf als Allheilmittel hat Apfelessig insofern nicht ganz zu Unrecht, denn das traditionelle Anwendungsspektrum ist groß. Vieles davon ist auf seine antibakterielle Wirkung zurückzuführen. Beispielsweise kann er mit Wasser verdünnt bei Halsschmerzen zum Gurgeln verwendet werden.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit sind Inhalationen bei Husten. In dem Fall gibt man etwa 5 EL Essig zu einem halben Liter heißem Wasser und inhaliert den Dampf. Die Volksmedizin verwendet Essig außerdem als ein Mittel, um Fieber zu senken, beispielsweise mit Essig-Wickeln oder Abreibungen.

Bei Zahnfleischentzündungen kann er ebenfalls helfen. Allerdings sollte der Mund nicht über einen längeren Zeitraum mit Apfelessig gespült werden. Denn die die Säure greift auf Dauer den Zahnschmelz an. Aus dem gleichen Grund ist es keine gute Idee, ihn wie hin und wieder zu lesen, als Do-It-Yourself-Bleaching für weißere Zähne zu benutzen.

Entzündungen der Haut lassen sich oft lindern, indem unverdünnter Apfelessig aufgetragen wird. Auch als natürliches Mittel bei Akne kommt Apfelessig dank der antibakteriellen Effekte zum Einsatz. Bei Juckreiz, z.B. durch Insektenstiche, wird er ebenfalls oft empfohlen.

Typische Anwendungsgebiete von Apfelessig sind außerdem die Unterstützung von Verdauung und Stoffwechsel. Essigsäure regt den Speichelfluss und die Bildung von Magensäure an. Auch Verdauungsprozesse im Darm werden durch Apfelessig gefördert. Insofern hilft schon die Zubereitung von Speisen mit Essig auf einfache Weise der Verdauung.

Darüber hinaus kann ein Apfelessig-Trunk – je nach Empfindlichkeit des Magens vor oder nach dem Essen eingenommen –hilfreich sein und Völlegefühle nach dem Essen lindern. Bei Durchfall wird Apfelessig wiederum aufgrund seiner antibakteriellen Wirkung empfohlen.

Günstig wirkt er sich auch im Säure-Basen-Gleichgewicht aus. Der Körper wandelt die Essigsäure im Stoffwechsel zu Kohlendioxid und Wasser um, so dass die dabei „übrig“ bleibenden Mineralstoffe sich basisch auswirken. Dementsprechend gilt Apfelessig in der PRAL-Tabelle, die Aufschluss über die Säure-Basenwirkung von Lebensmitteln gibt, als basisch.

Ein weiteres Plus ist das im Apfelessig enthaltene Pektin. Es fördert die Verdauung und kann bei Verstopfung helfen. Doch Pektin hat noch mehr positive Effekte: Es senkt das schädliche LDL-Cholesterin. Damit trägt es zum Schutz der Gefäße bei und ist gut für das Herz-Kreislauf-System.

Apfelessig gilt häufig als eine Art Fitness- und Stärkungsmittel. Eine Rolle spielt dabei seine sanft entwässernde Wirkung. Die milde Säure und das Kalium wirken sich dabei positiv aus. Außerdem fördert Apfelessig die Durchblutung. Regelmäßig konsumiert bewirkt Apfelessig eine leichte Blutverdünnung, was in der Regel gut für die Gesundheit von Herz-Kreislauf ist.

Inhaltsstoffe

Häufig ist zu lesen, Apfelessig sei wegen vieler Mineralstoffe und Vitamine besonders gesund. Das ist allerdings übertrieben. Zwar sind im Obstessig grundsätzlich Vitamine, Mineralstoffe und auch die sekundären Pflanzenstoffe der verwendeten Früchte enthalten. Gesund ist auch der im Apfelessig zu findende lösliche Ballaststoff Pektin.

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Es macht allerdings wenig Sinn, Apfelessig allein wegen dieser Stoffe einzunehmen, denn er enthält davon deutlich weniger als Apfelsaft oder ein Apfel. Oft wird wegen seiner entwässernden Eigenschaften zum Beispiel das enthaltene Kalium positiv hervorgehoben. Während jedoch 100 g Apfel 107 mg Kalium enthalten, liegt der Gehalt pro 100 g Apfelessig nur bei 73 mg.

Noch drastischer ist der Unterschied beim Vitamin C: Ein Apfel enthält 4,6 mg Vitamin C, Apfelessig keines. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass Apfelessig nur in viel geringerer Menge verzehrt oder eingenommen wird als es einem Glas Saft oder einem Apfel entsprechen würde.

Doch trotz dieser ernüchternden Zahlen kann sich Apfelessig günstig auf den Mineralstoffhaushalt auswirken. Dies ist auf die Kombination mit der organischen Säure zurückzuführen. Die Säurebakterien sorgen im Dünndarm für ein günstiges Milieu und verbessern damit die Aufnahme von Mineralstoffen. Letztlich ist es vor allem das Zusammenwirken der milden Essigsäure mit den übrigen Inhaltsstoffen, die für positive Wirkungen des Apfelessigs verantwortlich gemacht wird.

Macht Apfelessig schlank?

Seit Apfelessig-Produkte als Schlankheitsmittel vermarktet werden, ist ein regelrechter Boom ausgebrochen. Doch das Versprechen, nur durch den Konsum von Apfelessig abzunehmen, ist leider falsch. Ob mit oder ohne Essig – es bleibt die Regel: Wer abnehmen will, muss die Ernährung umstellen und sich mehr bewegen.

Allerdings kann Apfelessig Diäten gut unterstützen. Zum einen wirken sich das Pektin, die Säure und auch die Mineralstoffe günstig auf den Stoffwechsel und die Verdauung aus. Zum anderen wird vermutet, dass Apfelessig als eine Art natürlicher Appetitzügler wirkt. Über den Stoffwechsel und den Darm könnte die Säure für ein Sättigungsgefühl sorgen.

Darüber hat das enthaltene Kalium einen entwässernden Effekt. Dies fördert das Wohlbefinden und sorgt für strafferes Gewebe. Mit Fettabbau hat dies jedoch nichts zu tun. Insofern lässt sich zum Thema Schlankheitsmittel festhalten: Ja, Apfelessig trägt mit zu einer guten Figur bei, ist aber nicht das oft versprochene Wundermittel.

Apfelessig für die Schönheit

Nicht nur als traditionelles Heilmittel ist Apfelessig schon lange bekannt, sondern auch als Schönheitspflege für Haut und Haare. Eine Einreibung mit Apfelessig fördert die Durchblutung und gibt der Haut ein strafferes Aussehen. Zudem stabilisiert er den Säureschutzmantel der Haut und macht sie damit widerstandsfähiger. Da Seifen zumeist alkalisch sind, die Haut zum Schutz gegen Keime jedoch im leicht sauren Bereich liegt, kann verdünnter Apfelessig die Haut bei leichten Reizungen nach dem Waschen unterstützen. Empfohlen wird Apfelessig wegen seiner antibakteriellen Wirkung auch als eine Art natürliches Deo und bei Hautunreinheiten. Bei übermäßigem Schwitzen und Körpergeruch können beispielsweise Bäder hilfreich sein, denen etwa 250 ml Apfelessig zugegeben wird.

Im Gesicht lässt sich Apfelessig auch als ein Tonikum verwenden. Es empfiehlt sich jedoch, den Essig mindestens im Verhältnis 1:4 zu verdünnen. Bei allen Anwendungen auf der Haut ist es ratsam, erst einmal vorsichtig die Verträglichkeit zu prüfen. Sehr empfindliche Haut kann unter Umständen auch mit Rötungen reagieren.

Apfelessig gilt außerdem als Schönheitsmittel für strapazierte, brüchige Haare und soll für mehr Glanz sorgen. Der Grund ist, dass sich durch die Säure die aufgeraute Schuppenschicht der Haaroberfläche zusammenzieht. Die Oberfläche wird so wieder glatter. Aus verdünntem Essig lässt sich eine einfache Haarspülung zaubern: Zu einem Glas Wasser werden 3 TL Apfelessig gegeben und nach dem Waschen in den Haaren verteilt. Extra-Tipp: Einen Tropfen ätherisches Öl, z.B. Orangenöl, dazugeben für einen schönen Duft. Danach erneut ausspülen.

Qualität von Apfelessig

Um die gesundheitlichen Vorteile von Apfelessig zu genießen, sollten Sie auf gute Qualität achten und möglichst einen Bio-Essig kaufen. Denn bei der Herstellung wird der ganze Apfel inklusive Schale verwendet – hier sitzen bei konventionellen Äpfeln auch die meisten Pestizide. Bio-Apfelessig enthält außerdem die trüben Stoffe, die als besonders gesund gelten. Zudem findet bei der Herstellung keine Destillation statt, bei der durch Hitze viele wertvolle Inhaltsstoffe zerstört werden.

Apfelessig, der in Reformhäusern oder im Naturkosthandel erhältlich ist, wird aus dem Most von ganzen Äpfeln hergestellt. Die typischen Apfelsorten sind zum Beispiel Boskop, Ingrid-Marie oder Elstar. In der konventionellen Essigproduktion mischen die Hersteller dagegen zumeist Abfälle wie Schalen und Kerngehäuse darunter.

Apfelessig einnehmen

Apfelessig sollte nicht unverdünnt eingenommen werden, weil der Magen dadurch gereizt werden kann. Auch dem Zahnschmelz tut zu viel Säure nicht gut. Sie können sehr einfach erfrischende und verdauungsfördernde Getränke herstellen. Wer einen empfindlichen Magen hat, sollte sie besser erst nach dem Essen trinken.

Honig-Apfelessig-Trunk

Der Klassiker ist ganz leicht zuzubereiten:

2 TL Apfelessig
2 TL Honig
250 ml Wasser

Gut mischen und in kleinen Schlucken genießen.

Apfelsaft-Apfelessig-Trunk

Diese Mischung enthält nicht nur die milde Säure aus dem Apfelessig, sondern auch die Vitamine und Mineralstoffe aus dem Apfel. Die Menge des Essigs richtet sich danach, wie süß der Apfelsaft ist. Am besten ausprobieren.

1 Glas Apfelsaft
1-2 TL Apfelessig

 

Quellen und Links

IPEV Institut für Prävention und Ernährung: Nahrungsmitteltabelle, 2004 (online als pdf) 

United States Department of Agriculture (USDA): Agricultural Research Service National Nutrient Database for Standard Reference Release 27: Vinegar, cider (abgerufen am 16.4.2015) 

United States Department of Agriculture (USDA): Agricultural Research Service National Nutrient Database for Standard Reference Release 27: Apples, raw, with skin (abgerufen am 16.4.2015) 

Bettina Ortkämper: Apfelessig - Zwischen Lebensmittel und Heilmittel, UGB-Forum 3/99, S. 176-77 (online verfügbar, abgerufen 19.4.2015)

Reformhaus-Fachlexikon: Pektin (abgerufen am 16.4.2015)

Maggie Riepl: Apfelessig - Saures Multitalent, Onmeda Gesund-Magazin, 24. Oktober 2012 (abgerufen 20.4.2015)

 

Bildnachweis: Hans/pixabay