Meditation – mehr Entspannung, weniger Stress
Dr. phil. Kerstin Engels
Seit Meditation in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts Einzug im Westen gehalten hat, wurde sie lange Zeit als esoterische Praxis von Freaks betrachtet. Meditation war etwas für Spinner, Hippies, Popstars und Sektenanhänger. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Anzeige
Ob Unternehmensberater, Psychologen, Mediziner oder selbst katholische Priester: Vielfach wird Meditation empfohlen und praktiziert. Spirituelle Großmeister sind inzwischen begehrte Gäste, auf Massenveranstaltungen ebenso wie in exklusiver Runde oder als Ratgeber von Führungskräften.
Ihren Ritterschlag hat die neu- und wiederentdeckte Praxis der Meditation aus westlicher Sicht erhalten, seit zunehmend medizinische und vor allem neurologische Forschungsergebnisse bekannt werden, die erstaunliche und positive Effekte für die Gesundheit belegen. Regelmäßig widmen sich seitdem auch die Medien den für Materialisten unerwarteten Auswirkungen geistiger Kräfte auf den menschlichen Körper.
Die fernöstliche Weisheit ist mittlerweile im öffentlichen Bewusstsein präsenter als manche „esoterische“ Praxis aus unserem Kulturkreis. Im Jahr 2012 haben laut einer repräsentativen Befragung mehr als die Hälfte der Deutschen schon einmal etwas von Zen-Meditation gehört, knapp sechs Prozent haben sogar eigene Erfahrungen damit gemacht. Zum Vergleich: Mit Anthroposophie konnte in der gleichen Studie nur weniger als ein Drittel etwas anfangen.
Wer Meditation lernen will, findet ein großes Angebot vor, das allerdings für Neulinge oft schwer zugänglich scheint. Die Überlieferungen, Lehren und auch die Meister der verschiedenen Disziplinen stammen aus anderen kulturellen und religiösen Kontexten. Wer sich auf diese Pfade begibt, kann mehr oder weniger tief in die fremden Denkweisen und Kulturen eintauchen. Daneben entwickeln sich aber auch Meditationspraktiken ohne solche traditionellen Bindungen.
Egal für welche Form man sich entscheidet. In mindestens einem Punkten sind sich alle Lehren einig: Um Meditation zu lernen ist regelmäßige Übung das A und O.
Darüber hinaus enthalten viele Meditationslehren sehr ähnliche Empfehlungen oder Vorgehensweisen. So gibt es vielfältige Techniken, um den Geist zu trainieren, das innere Hin-und-Her zu beruhigen und das Bewusstsein zu verändern. Eine persönliche Anleitung durch einen vertrauenswürdigen Lehrer ist dabei für die meisten Menschen sehr hilfreich.
Wer lieber für sich allein üben möchte, kann das aber dank vieler guter Bücher inzwischen auch tun – einige Literaturempfehlungen für den Einstieg sind weiter unten zu finden.
Meditation und Gesundheit
Zwar steht die medizinische Forschung noch immer ziemlich am Anfang, aber dass Meditation für viele Menschen positive gesundheitliche Wirkungen haben kann, ist inzwischen klar. Seit den 90-er Jahren nimmt das Interesse der Medizin zu, so dass sich immer mehr Forschungsprojekte den Gesundheitsaspekten widmen. Vor allem aus der Neurologie stammen spannende Erkenntnisse dazu, wie sich unter dem Einfluss von Meditation nachweislich das Gehirn verändert, die sogar westliche Materialisten zu Anhängern solcher Praktiken werden lassen.
Dementsprechend gibt es zunehmend Studien zum Thema Meditation und Gesundheit aus renommierten Forschungseinrichtungen und Kliniken. Dazu zählen die Arbeiten von Jon Kabat-Zinn an der University of Massachusetts Medical School in Worcester. In Deutschland machen auf dem Gebiet der Meditationsforschung zum Beispiel Ulrich Ott am Bender Institute of Neuroimaging (BION) der Justus-Liebig-Universität Gießen oder Tania Singer am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig von sich reden.
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Eine im März 2014 veröffentlichte Metaanalyse der Johns Hopkins University in Baltimore kommt zu dem Schluss, dass Meditation bei Stress helfen kann und sich sowohl bei Ängsten als auch bei chronischen Schmerzen positiv auswirkt.
Da Meditation bei vielen Menschen innere Spannungen abbaut und damit Stress reduziert, wird sie auch auf der körperlichen Ebene mit positiven Effekten für die Gesundheit in Verbindung gebracht.
Dabei reicht das Spektrum von günstigen Auswirkungen bei Bluthochdruck über chronische Entzündungen und Allergien bis zu Atemwegserkrankungen. Allerdings waren Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die physische Gesundheit in der Vergangenheit nicht immer unabhängig. Für neutrale Nachweise besteht noch großer Forschungsbedarf.
Meditation in verschiedenen Traditionen
Eigentlich lassen sich in den meisten Religionen verschiedene Formen von Meditation finden. Besonders ausgeprägte Praktiken sind aber vor allem in den großen asiatischen Religionen fest verankert, im Hinduismus, im Buddhismus und im Daoismus. Die ältesten bekannten Texte zur Meditation stammen aus Indien: So sind die Upanishaden, eine philosophische Sammlung vedischer Schriften, etwa zwischen 700 v.Chr. und 200 v.Chr. entstanden.
Aber auch in der christlichen Tradition des Westens gab es unter den mittelalterlichen Mystikern eine Praxis der Meditation, die später von der Inquisition weitgehend verboten wurde.
Meditation im Westen heute
Meditation ist bei uns heutzutage am stärksten verbreitet durch den Einfluss von Medien und prominenten Vorbildern. Die Liste der Stars, die östliche Meditationspraktiken in das Rampenlicht geholt haben, ist lang. Sie begann mit den Beatles und wurde von Popstars und Schauspielern wie Madonna, Richard Gere oder Katy Perry fortgesetzt.
Außerdem hat die Verbreitung von Yoga und asiatischen Kampfkünsten stark dazu beigetragen, dass sich im Westen immer mehr Menschen mit verschiedenen Techniken der Meditation beschäftigen.
Die wichtigsten Traditionslinien und Kontexte, in denen bei uns inzwischen Meditation geübt wird, sind die folgenden:
1. Yoga und Meditation
Auch wenn Yoga im Westen häufig eher als eine Art Gesundheitsgymnastik oder Fitness-Programm betrachtet wird – die Meditation ist zentraler Bestandteil des klassischen Yogawegs. Im Yoga gibt es eine große Vielfalt an Techniken. Dazu zählt beispielsweise die Meditation mit Hilfe eines Mantras, etwa mit der Silbe OM.
Andere Formen sind zum Beispiel Mandalas (geometrische Symbole), Visualisierungstechniken, die Konzentration auf eine Kerze, auf den Atem, auf Energiezentren im Körper oder auf positive emotionale Qualitäten. Aber auch die Meditation in reiner Stille gehört zum Yoga-Universum.
2. Buddhistische Meditation
Die buddhistische Meditation zeichnet sich durch einen großen Reichtum an Formen und Techniken aus. Den größten Einfluss bei der Verbreitung im Westen hatten der tibetische Dalai Lama und der aus Vietnam stammende Mönch Thich Nhat Hanh.
Bei uns sind hauptsächlich die passiven sitzenden Formen der buddhistischen Meditation bekannt – spätestens seit Mini-Buddhas und meditierende Frösche als Deko-Gegenstände in viele Haushalte und Vorgärten eingezogen sind.
Die beiden wichtigsten Traditionen, in denen sitzend meditiert wird, sind Vipassana und Zazen. Die Grundlage ist eine aufrechte und zugleich entspannt sitzende Haltung. Der Meditierende richtet seine Aufmerksamkeit auf seine geistigen und körperlichen Zustände und begibt sich dabei in eine Beobachterposition. Zentral ist die Übung der „Achtsamkeit“, der geistigen Präsenz, was vor allem bedeutet, die Gegenwart frei von Bewertungen wahrzunehmen und dabei nicht „anzuhaften“, sich von Gedanken und Gefühlen zu lösen.
Darüber hinaus gibt es in der buddhistischen Meditation auch einen großen Reichtum an Formen der Meditation, die an Aktivitäten geknüpft sind. Im Zen wie auch in vielen anderen Traditionen, wird unter anderem die Meditation im Gehen praktiziert, im Zen als Kinhin bezeichnet. Außerdem wurden viele praktische Tätigkeiten in hochgradig ritualisierte und kunstvolle Übungswege transformiert, wie die Teezeremonie, das Bogenschießen oder die Gartengestaltung.
3. Kampfkünste und chinesischer Daoismus
Meditation ist außerdem eng verknüpft mit der asiatischen Kampfkunst, die sich auch im Westen in unzähligen Schulen großer Beliebtheit erfreut. Ob Karate, Kung Fu oder Judo – stets spielt die Meditation eine integrale Rolle. Sie dient der inneren Sammlung und Konzentration ebenso wie der Charakterschulung und Energielenkung.
Im chinesischen Tai Chi (Taijiquan) tritt der Aspekt Meditation noch deutlich stärker hervor. In Verbindung mit dem Daoismus entstand mit dem Tai Chi eine eigene Schule, die häufig nur als „innere Kampfkunst“ ausgeübt wird und bei der die konzentrierte körperliche Übung, Wahrnehmungstraining und der Energiefluss in Verbindung mit Meditation im Mittelpunkt stehen.
Vor allem aber beim chinesischen Qigong stehen Meditation und Konzentration in Kombination mit Bewegungsübungen im Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund des Daoismus und der traditionellen chinesische Medizin (TCM) ist es dabei das Ziel, das Chi, die Lebenskraft und universelle Energie, im Menschen zu stärken und in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen.
4. Meditation ohne spirituellen Kontext
Am bekanntesten unter den nicht-traditionellen Praktiken ist die Methode MBSR. Sie soll auch modernen aufgeklärten und religionsfernen Menschen einen Zugang zur Meditation und ihren gesundheitlichen Effekten ermöglichen. Die Abkürzung steht für Mindfulness-Based Stress Reduction, zu Deutsch etwa "Stressreduktion durch Achtsamkeit". MBSR beruht im Wesentlichen auf den Prinzipien der Vipassana-Meditation – nur ohne jeglichen spirituellen „Ballast“.
MBSR wurde von dem amerikanischen Mediziner Jon Kabat-Zinn entwickelt und seit über 20 Jahren erfolgreich im medizinischen Bereich eingesetzt. Auch auf vielen anderen Gebieten findet die Methode Verwendung, etwa in der Sozialarbeit, in Schulen, in Gefängnissen, oder beim beruflichen Coaching. Kabat-Zinn startete dieses Programm an einer Klinik in Worcester, die bis heute als Zentrum der Methode MBSR gilt.
Literaturempfehlungen:
Ulrich Ott: Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst. O.W. Barth, 2010.
Jon Kabat-Zinn: Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung. Knaur TB, 2011.
Stephan Bodian: Meditation für Dummies. mitp, 2000.
Jack Kornfield: Frag den Buddha - und geh den Weg des Herzens: Fernöstliche Lehren für den westlichen Alltag. Kösel-Verlag, 4. Auflage 2009.
Thich Nhat Hanh: Alles, was du tun kannst für dein Glück: Übungen für Körper, Seele und Geist. Verlag Herder, 2013.
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