Qigong - Stärkung der Lebensenergie

Dr. phil. Kerstin Engels

Die sanften und fließenden Übungen aus dem Qigong sind in China stark verbreitet, finden aber auch im Westen immer mehr Anhänger. Sie sind relativ leicht zu erlernen und sollen entspannen, lockern und die Lebensenergie verbessern. 

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Yin Yang Symbol pixabay sign-38737 150Qigong ist eine Bewegungslehre und ein Übungssystem aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Die Übungen fördern nicht nur die Beweglichkeit. Vor allem sollen sie den Energiefluss im Körper anregen. Im Sinne der chinesischen Medizin lassen sich damit die Selbstheilungskräfte mobilisieren und die Lebensenergie stärken. Im Unterschied zum anspruchsvolleren Tai Chi sind die Übungen des Qigong in der Regel leicht zu erlernen.

Die fließenden Übungen werden im Stehen und Sitzen ausgeführt. Dabei verbindet sich die Körperbewegung mit der Atmung und einer konzentrierten Vorstellungskraft. Diese Elemente werden im Qigong auch die „drei goldenen Schlüssel“ genannt.

Ausgesprochen wird Qigong etwa Tschi Gung. Es gibt mindestens hundert verschiedene Stile, die beispielsweise eher körper- und bewegungsbetont oder aber stärker meditativ ausgerichtet sein können. Die bekannteste und am häufigsten geübte Serie sind die „Acht Brokate“, eine ebenso kräftigende wie entspannende Abfolge von einfachen Bewegungen.

Die einzelnen Übungen und Serien entstammen wiederum diversen Traditionen. Dazu zählen sowohl religiöse Einflüsse, etwa aus dem Daoismus und Buddhismus, als auch alte Techniken zur Gesundheitsvorsorge. Zudem spielen Elemente aus dem Kampfsport im Qigong eine große Rolle.

Qigong in der chinesischen Medizin

Qigong zählt zu den Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin, zu denen unter anderem auch die Kräuterheilkunde und die Akupunktur gehören. Im Unterschied zu den übrigen TCM-Methoden ist Qigong jedoch keine herkömmliche Behandlung, sondern eine Bewegungslehre, die fast jeder selbst erlernen und ausführen kann.

Im Prinzip ist Qigong eine sehr alte Übungspraxis, die in der chinesischen Geschichte mehrere tausend Jahre zurückverfolgt werden kann. Aber erst seit Mitte des letzten Jahrhunderts setzte sich der Begriff in der chinesischen Medizin durch, als ein Arzt begann, diese traditionellen Techniken unter der Bezeichnung Qigong anzuwenden.

Aus Sicht der TCM ist das Ziel der Qigong-Übungen, den Energiefluss zu harmonisieren und so die Selbstheilungskräfte und die Lebenskraft anzuregen. Vor allem in China ist Qigong als regelmäßige Übung im Alltag inzwischen sehr verbreitet, um Krankheiten vorzubeugen und um die Gesundheit zu erhalten – körperlich, geistig und seelisch.

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Dabei steht das chinesische Wort „Qi“ für die universelle Lebensenergie. Das Wort „Gong“ bedeutet so viel wie „Arbeit“, „Übung“ oder „Methode“. Qigong meint somit in etwa „Arbeit mit dem Qi“, könnte aber auch mit „energetisierende Übung“ übersetzt werden.

Die traditionelle chinesische Medizin geht davon aus, dass die Lebensenergie, das Qi, im menschlichen Körper in bestimmten Leitbahnen fließt. Störungen des Gleichgewichts oder des Energieflusses manifestieren sich demnach als Unwohlsein oder sogar Krankheiten.

Viele alte Übungsreihen sind daher gezielt darauf ausgerichtet, bestimmte Zustände auszugleichen. Sie sollen zum Beispiel auf bestimmte organische Funktionen einwirken, wie die Leber oder das Herz, oder Teile des Organismus positiv beeinflussen – etwa Knochen, Muskeln oder Körpersäfte.

Philosophische und religiöse Einflüsse im Qigong

Das philosophische Gerüst zum Qigong stammt vor allem aus dem Daoismus und dem Buddhismus.

Eine Grundidee im Daoismus ist, dass alles Leben auf einem universellen Energiefluss beruht. Das Qi, das auch Atem, Wind oder Luft heißen kann, durchströmt in individueller Form alle lebendigen Erscheinungen und auch den Menschen. Ein ungestörter Energiefluss benötigt wiederum eine harmonische Ordnung, ein bestimmtes Gleichgewicht, etwa zwischen Yin und Yang, dem weiblichen und männlichen Prinzip.

Im Daoismus gab es auch eine ausgeprägte alchemistische Mystik. Sie umfasste verschiedene Techniken mit dem Ziel der Lebensverlängerung und Unsterblichkeit, aber auch der Bewusstseinserweiterung. Ein Teil der Qigong-Übungen war dementsprechend körperlich orientiert und wurde dann als Yangsheng („den Körper nähren“) bezeichnet. Auf der anderen Seite gab es, vor allem in den Klöstern, eine meditative Ausrichtung der Qigong-Praktiken, die auf Atem- und Konzentrationsübungen basierten.

Auch der aus Indien stammende Buddhismus kultivierte bei seiner Ausbreitung in China vor allem meditative Ausprägungen des Qigong. Zudem ähnelten und vermischten sich manche Vorstellungen. Das Konzept des daoistischen Qi beispielsweise hatte viele Gemeinsamkeiten mit dem Prana der indischen Philosophie. Auch die Idee der Energieleitbahnen, durch die Qi bzw. Prana strömt, findet sich im indischen Denken genauso wieder wie im chinesischen.

Qigong und die Kampfkünste

Qigong ist mit den chinesischen Kampfkünsten eng verwoben. So beruhte auch die im sechsten Jahrhundert entstandene Kampfkunst der buddhistischen Shaolin-Mönche auf der Arbeit mit dem Qi, also dem Qigong. Von diesen Techniken des Kung Fu leitete sich später eine Vielzahl weiterer Kampfkunst-Schulen ab. Und auch bei den sogenannten „inneren Kampfkünsten“, wie dem Tai Chi (Taijiquan), spielt der freie Energiefluss eine zentrale Rolle. Dementsprechend gibt es hier viele Gemeinsamkeiten in den Übungsprinzipien und einzelnen Elementen.

Qigong im Westen

Auch bei uns verbreitet sich Qigong zunehmend als eine sanfte Form von Bewegungsübungen und Gesundheitsförderung. Qigong wird in einer Vielzahl von Kursen angeboten, beispielsweise in Volkshochschulen, Kliniken oder Schulen für Tai Chi.

Im Westen werden die gesundheitsfördernden Wirkungen des Qigong häufig anders begründet als in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Im Vordergrund stehen hier beispielsweise eine Lockerung des Körpers, etwa der Muskeln und Gelenke und auch die entspannenden, stressmindernden Effekte der sehr langsam und bewusst ausgeführten Übungen.

Oft wird aber auch hervorgehoben, dass Qigong zu einer Stärkung von Herz und Kreislauf beitragen kann und sich positiv auf diverse Funktionen im Organismus auswirkt, wie zum Beispiel den Stoffwechsel, das Nervensystem oder die Atmung. Auch als Ergänzung zur Physiotherapie kommt Qigong zum Einsatz. Dabei setzen die Therapeuten auf eine verbesserte Körperwahrnehmung, die es beispielsweise erleichtert an Fehlhaltungen zu arbeiten.

 

Links

Deutscher Dachverband für Qigong und Taijiquan e.V. (DDQT)

Deutsche Qigong Gesellschaft e.V. 

Das Taijiquan & Qigong Netzwerk Deutschland e. V. 

Dimitri Platonov: Qigong. Die acht Brokate-Qigong (Ba Duan Jin) – Übungsfilm auf You Tube 

Qigong-Artikel in Wikipedia

 

Literaturempfehlung

Shi Xinggui: Shaolin Qi Gong: Energie in Bewegung. Burgrain 2007. (Gutes Einstiegsbuch mit einer Übungs-DVD)

 

 

Bildnachweise: Silberfuchs/pixabay, Nemo/pixabay