Essen nach dem Lustprinzip - eine gute Idee?

Kerstin Engels

 

Auf Spiegel Online gab es kürzlich ein Interview mit dem Gesundheitswissenschaftler Thomas Frankenbach. Der Experte empfiehlt dort, beim Essen auf die eigene Körperintelligenz zu hören statt irgendwelche Ernährungsregeln zu befolgen. Durch eine verbesserte Körperwahrnehmung, so die Idee, essen wir intuitiv das Richtige. Im Prinzip sicher eine gute Idee.

 

Eisbecher Grafik pixabay popsicle-295088 1280Am spannendsten fand ich eigentlich die Diskussion dazu, unter dem Artikel und auch in den Blogs. Da es ein ruhiger Sonntagmorgen war, habe ich mir die ausführlich gegönnt – und mich wieder mal gefragt, was eigentlich mit den obligatorischen Trollen los ist, ganz besonders beim Thema Essen. Wenn es um gesunde Ernährung geht, fallen die Verunglimpfungen und Hasstiraden noch stärker aus als sonst. Aggression, Entfremdung und Essen hängen ganz offensichtlich zusammen. Und im friedlichen Einklang mit seinen eigenen Bedürfnissen leben zu wollen, scheint beim Thema Essen besonders zu provozieren.

 

Der Ansatz von Thomas Frankenbach scheint mir, so wie er da präsentiert wird, sehr verkürzt. Ich glaube, sich nach dem Lustprinzip zu ernähren, ist theoretisch richtig, funktioniert aber praktisch nicht. Das war auch der Tenor in vielen (ernsthaften) Kommentaren. Ein entscheidender Punkt dabei: Wir sind konditioniert, so dass es schwer ist ein "echtes" Bedürfnis von einem angelernten zu unterscheiden.

 

Oft haben unsere scheinbar "natürlichen" Impulse auch nichts mit unseren heutigen Lebensumständen zu tun. Ein besonders gutes Beispiel ist der Zucker: Süßes war bei unseren evolutionären Vorfahren etwas Seltenes, ein Signal für etwas Positives, für Reife, Energie, Essbarkeit. Das hat sich mit den Bedingungen der industriellen Nahrungsmittelproduktion vollkommen verändert. Wir assoziieren „süß“ weiterhin mit „positiv“, schaden uns aber mit einem Übermaß an Zucker.

 

Wir sind daran gewöhnt, dass Ersatzhandlungen und Ersatzprodukte unser ganzes Leben durchdringen, nicht nur Aromen und Zucker im Essen. Wer sich also auf seine Körperwahrnehmung verlassen will, muss oft erstmal lernen, genau hinzuschauen: Welches Bedürfnis steckt denn wirklich dahinter, wenn mich der Appetit auf Schokolade, Eiscreme oder Kartoffelchips packt? Um der somatischen Intelligenz zu vertrauen, ist es wichtig, Gewohnheiten zu prüfen und wohl auch zu ändern. Jede Wette, dass wir uns sonst ständig selbst austricksen - mit einem Riesenappetit auf Pommes-Rot-Weiß zum Beispiel.

 

 

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